Der Tractatus logico-philosophicus oder kurz Tractatus (ursprünglicher deutscher Titel: Logisch-philosophische Abhandlung) ist das erste Hauptwerk des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889–1951).
Das Werk wurde während des Ersten Weltkriegs geschrieben und 1918 vollendet. Es erschien mit Unterstützung von Bertrand Russell zunächst 1921 in Wilhelm Ostwalds Annalen der Naturphilosophie. Diese von Wittgenstein nicht gegengelesene Fassung enthielt grobe Fehler. Eine korrigierte, zweisprachige Ausgabe (deutsch/englisch) erschien 1922 bei Kegan Paul, Trench, Trubner & Co. in London in der Reihe International Library of Psychology, Philosophy and Scientific Method und gilt als die offizielle Fassung. Die englische Übersetzung stammte von C. K. Ogden und Frank Ramsey. Eine zweite zweisprachige Ausgabe erschien 1933. 1929 legte Wittgenstein den Tractatus (der lateinische, an Spinozas Tractatus theologico-politicus erinnernde Titel geht auf G. E. Moore zurück) als Doktorarbeit am Trinity College der Universität Cambridge vor.[1]
Wie im Titel des Buches angedeutet, enthält es zum einen eine logische Theorie, zum anderen legt Wittgenstein darin eine philosophische Methode dar. „Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr – nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müßten wir beide Seiten dieser Grenze denken können.“ (Vorwort). Wittgensteins Hauptanliegen ist es, die Philosophie von Unsinn und Verwirrung zu bereinigen, denn „[d]ie meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben worden sind, sind nicht falsch, sondern unsinnig. Wir können daher Fragen dieser Art überhaupt nicht beantworten, sondern nur ihre Unsinnigkeit feststellen. Die meisten Fragen und Sätze der Philosophen beruhen darauf, dass wir unsere Sprachlogik nicht verstehen.“ (4.003)
„Im Einzelnen“ erhebt Wittgenstein „überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das, was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.“ (Vorwort)
Wittgenstein folgt im Tractatus dem Modus mathematicus, der damals vor allem den analytischen Philosophen angebracht erschien (Frege, Russell, Whitehead, Schlick u. a.). Knapp gefasste, präzise Definitionen von Begriffen und logische Folgerungen, aber auch die Einführung von formalen Notationen aus der mathematischen Logik geben dem Text den Anschein größtmöglicher Allgemeinheit und Endgültigkeit. Das auffallende Nummerierungssystem der einzelnen Sätze und Absätze soll nach Aussage Wittgensteins das logische Gewicht der Sätze andeuten. Ebendieses Nummerierungssystem, das auf Wittgenstein zurückgeht, hat in der akademischen Welt großen Anklang und Verbreitung erfahren. Wittgenstein definiert in der Umgangssprache gebräuchliche Termini wie Satz, Tatsache, Sachverhalt oder auch Welt im Tractatus genau und entwirft mit ihnen eine Bedeutungs- und Sprachtheorie.
Wittgenstein widmete sein Erstlingswerk Tractatus Logico-Philosophicus seinem Freund und Lebensgefährten David Pinsent zum Gedenken.[2]